Bei unserer Reise ist uns immer wieder aufgefallen, welchen großen Einfluss Städte auf das Leben in der Zukunft haben. Sie sind die turbulenten und kreativen Zentren unserer Zivilisation. Hier wird Handel getrieben, Politik gestaltet und ein vielschichtiges kulturelles Leben entwickelt. Die Stadt lockt durch ihre Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten, eine liberale Atmosphäre sowie gute Infrastruktur eine große Zahl an Menschen an. Vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern entwickelt der dahinterstehende Megatrend Urbanisierung eine große Dynamik. Um alle diese Einströmenden Menschen unterzubringen werden in den Städten große Ressourcen eingesetzt, um die entsprechende Infrastruktur bereitzustellen. Bei der notwendigen Stadtentwicklung die richtigen Entscheidungen zu treffen hat langfristig mehr Auswirkungen auf die Ressourcen und das Klima als alle noch so gut überlegten Schritte, die wir in den Industrieländern gehen. Die Veranstaltung „Future Megacities in Action“ ging genau diesem Megatrend nach und entwickelte viele praktische Pilotprojekte.
Kurz zusammengefasst
- Verstädterung ist einer der wichtigen Megatrends
- Das Projekt „Future Megacities in Action“ des BMBF
- Megacities – Bevölkerungsverdoppelung in nur 20 Jahren
- Angepasste Lösungskonzepte für jede Stadt
- Deutsche Konzepte nicht zwingend übertragbar
- Low-Tech Lösungen gesucht
- Einige Fehler der Stadtentwicklung wiederholen sich
Eine zukunftsorientierte Entwicklungsstrategie
Da die stark wachsenden Städte in Entwicklungs- und Schwellenländern in Zukunft einen sehr starken Einfluss auf die Entwicklung von Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft haben werden, ist das Ministerium für Bildung und Forschung mit einem langfristig angelegten Projekt genau an dieser Stelle aktiv geworden. Neun Städte wurden als Projektpartner gewonnen, um wichtige Zukunftsthemen wie Energie, Verkehr, Wohnen, Bildung, Ernährung und Versorgung auf nachhaltigkeitsorientierte Weise zu entwickeln. (Partnerstädte: Gauteng-Südafrika, Urumqi – China, Hefei – China, Tehran – Iran, Ho-Chi-Min- Stadt – Vietnam, Hyderabad – Indien, Lima – Peru, Casablanca – Marocco, Addis Abeba – Äthiopien). Die Projekte werden dabei jeweils Wissenschaftlich betreut, sodass ein breites Spektrum an Best-Practice Fällen zusammengetragen werden kann, die Anregung für andere Städte geben.
Megatrend Urbanisierung – eine rasante Entwicklungsgeschwindigkeit
Es ist beeindruckend zu sehen, wie sich die Städte in Asien, Afrika und Südamerika im Laufe der Zeit entwickeln. Durch den immensen Zufluss von Menschen wächst die Bevölkerung in nur kurzer Zeit erheblich. So ist beispielsweise eine der BMBF Projektstädte im Zeitraum der Jahre 1989 bis 2009 von 3 Mio. Einwohner auf 6 Mio. Einwohner angestiegen. Eine Verdoppelung in nur 20 Jahren. In dieser kurzen Zeit musste Alles an die neuen Anforderungen dieser wachsenden Bevölkerung angepasst werden. Versorgung mit Wasser und Energie, Bereitstellung einer Mobilitätsinfrastruktur, Bildung, Ernährung und die Entsorgung der ganzen Abfälle. Für die Planer keine leichte Aufgabe, denn ein Infrastrukturvorhaben ist bei Fertigstellung vielleicht schon wieder an seiner Kapazitätsgrenze angelangt. Wie sich nur unschwer erkennen lässt, ist Planungssicherheit bei einer solch dynamischen Situation nur schwer zu erreichen. Kein Wunder, dass dort vieles anders angegangen wird als bei uns in Deutschland. Der veränderte Zeithorizont ist dabei ein wichtiger Unterschied. Wo wir Gebäuden eine Nutzungszeit von 50-100 Jahren geben, ist dort teilweise schon in nur 10 Jahren das Lebensende erreicht und das Gebäude muss einem neuen Bauwerk weichen.
Individuelle Herausforderungen benötigen individuelle Lösungen
Die Herausforderungen der wachsenden Städte sind immens. Energie- und Wasserversorgung, Bildung, Ernährung, Verkehrsinfrastruktur, Wohnen und noch viele andere Bereiche stellen die zukünftigen Megacities vor große Herausforderungen. Für einige der entstehenden Probleme haben wir in der Vergangenheit schon Lösungen entwickelt. Doch nicht Alles lässt sich übertragen. Oft müssen neue Ansätze ausprobiert werden. Dies hängt nicht nur vom Entwicklungsstand der Städte und den geographischen bzw. klimatischen Begebenheiten ab, sondern auch von kulturellen Unterschieden.
So war es sehr spannend zu sehen, wie sich Wohnkonzepte unterscheiden. Während wir von einigen Megacities wie Tokio um den wenigen Platz zum Wohnen wissen und Menschen in kleinsten Wohnungen leben, stellt sich dies in anderen großen Städten ganz anders dar. So gibt es in Ho Chin Min Stadt, Vietnam sogar einen vergleichbaren Wohnraum pro Person wie in Deutschland. Es gibt selbst im städtischen Gebiet Reihenhäuser über 100 qm für die wachsende Mittelschicht. Lässt sich nun eines unserer Hauskonzepte auf Vietnam übertragen – leider nein. Alleine das Wetter macht vieles anders. In Deutschland wollen wir vor allem die Heizkosten im Winter reduzieren und überlegen wie wir trotz dichter Fenster und Dämmung die Feuchtigkeit von Drinnen nach draußen transportieren. Im Gegensatz dazu möchte man in Vietnam im Sommer den Einsatz der Klimaanlage reduzieren und versucht durch abgedichtete Fenster die feuchte Tropenluft draußen zu halten. Zudem stehen bei den Lösungen vor allem wenig wartungsintensive, kostengünstige Technik im Vordergrund. Hieran lässt sich schon anschaulich ablesen, dass die Konzepte anders sein müssen.
Eine besondere Geschichte ergab sich im Gespräch mit einer Südafrikanerin. Dort sind einige Orte besonders vom Klimawandel betroffen. Die traditionellen Lehmhütten widerstehen zwar Hitze und extremer Sonneneinstrahlung, sind gegen Überschwemmungen und Starkregen jedoch sehr anfällig. Sie lösen sich über die Zeit einfach auf. Das Bauen von neuen, widerstandsfähigen Häusern oder die Umsiedlung der Betroffenen scheinen gangbare Lösungen. Doch wie gehe ich mit Menschen um, die sich aufgrund ihrer Naturreligion erst einmal damit beschäftigen ihre Gottheiten des Wassers und des Wetters zu beruhigen. In der festen Annahme, dass sich dadurch das Problem lösen ließe.
Einige Fehler werden wiederholt
Wenn wir auf unsere Entwicklung hier in Deutschland zurückblicken, erkennen wir viele Fehler bei der städtischen Entwicklung. Mehr Berücksichtigung der menschlichen Bedürfnisse, offenere Bebauung, intelligentere Verkehrsinfrastruktur und Nachhaltigkeitskonzepte zum effizienten Umgang mit Ressourcen. Einiges davon hätten wir wohl mit etwas Nachdenken von Anfang an besser machen können, anderes hat erst die langjährige Erfahrung zu Tage gebracht. Nachdem wir so viele Fehler gemacht haben, ist die Hoffnung natürlich groß, dass andere von uns lernen könnten. Doch schon jetzt sind die Staus in den neuen Megacities länger als alles was wir bisher erlebt haben. Auch sind die Umweltbelastungen in manchen Regionen insbesondere bei Luft- und Wasserverschmutzung mehr als bedenklich. Doch hier muss jeder erst seine eigenen Erfahrungen machen. Wir Menschen ticken doch irgendwie alle gleich…