Die CeBIT war natürlich ein Schlaraffenland für uns Zukunftssuchende, vom CeBIT Lab bis zum Startup-Wettbewerb CODE_n. Aber Technik kann mehr, als wir bereit sind umzusetzen: Markt, Gesetze, (Unternehmens)Kultur und Selbstbilder bestimmen was wie schnell umgesetzt wird.
Kurz zusammengefasst
- Die größten Bremsen bei der Verbreitung und dem öffentlichen Einsatz von Innovationen liegen im menschlichen Bereich: Gesetze, Kultur und Selbstbild.
- 3D-Druck und Industrie 4.0 sind die beiden großen Lager, wenn es um die Zukunft der Produktion geht: individuell und dezentral kontra hocheffizient automatisieren.
- Autonome Landwirtschaftsfahrzeuge sind fast in Reichweite. Die notwendigen rechtlichen Regelungen nicht.
- 3D-Arbeitsräume schlagen eine Brücke von Experten zu Laien und machen eine Zusammenarbeit möglich.
- Video und Augmented Reality sind absehbare Trends, wenn es ums Lernen geht.
- Begegnungen am Rande: indiegogo-Gründerin Danae Ringelmann (Crowdfunding als Interessenbaromenter) und Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut (Komplexe Probleme lösen).
- Last but not least: Das Video unseres Zukunftsvortrages auf der Open Stage.
Die Zukunft der Produktion: 3D-Druck & Industrie 4.0
Hocheffiziente Automatisierung auf der einen Seite, Individualisierung und Dezentralisierung auf der anderen: Die beiden Lager, die über die Zukunft der Produktion reden sind Industrie 4.0 und 3D-Druck.
Zwei Visionen für die Produktion
Während die Industrievertreter mit Industrie 4.0 darauf setzen, dass die bestehenden Produktionsmöglichkeiten durch Roboter, Vernetzung und Software immer effizienter und flexibler werden – also den Trend der Vergangenheit fortschreiben, sieht das Lager der Kreativen eine ganz andere Zukunft. Durch immer bessere 3D-Drucker verlagert sich die Produktion in kleine Büros und nach Hause. So verrückt das vielleicht im ersten Moment klingen mag, so greifbar ist es aber auch schon. Und das gilt nicht nur für die bekannten Schmuckstücke und Prototypen, auch die NASA setzt schon 3D-Verfahren ein, um Raketenantriebsteile individuell zu produzieren.
3D-Druck live
Herzlichen Dank an dieser Stelle an den Hannoverschen Coworking Space Edelstall, an dessen Stand man den Makerbot in Aktion erleben konnte und der 3D-Druck-Workshops organisiert hat – und dessen Stand unser Basislager für die CeBIT-Expeditionen war.
Autonome Landwirtschaft
Das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering – kurz Fraunhofer IESE – forscht unter anderem an autonomen Nutzfahrzeugen für die Landwirtschaft. Also nicht ferngesteuert, sondern komplett selbstfahrend. Diese Geräte sollen durch Sensoren den Zustand der Pflanzen erkennen und entsprechend Dünger und Pestizide ausbringen. Und natürlich auch wissen, wo sie sind und selbstständig Hindernisse umfahren.
Die Kosten-Nutzen-Rechnung
Solche Technik ist natürlich nicht ganz billig, aber die Landwirtschaft ist so kapitalintensiv, dass sich schon relativ kleine Effizienzsteigerungen beim Einsatz von Düngemitteln, Saatgut und Wasser schnell bezahlt machen. Interessanterweise fallen hier die sonst immer so gefürchteten Personalkosten kaum ins Gewicht.
Rechtlich ungeregelt
Die große Frage bei autonomen Nutzfahrzeugen ist im Moment weniger die Technik, die ist in greifbarer Nähe. Das Problem sind rechtliche Fragen: Wer ist Schuld, wenn etwas passiert, vor allem, wenn Menschen zu Schaden kommen? Ungeklärte Fragen und deren Antworten wir gespannt sein dürfen – und die vielleicht auch den Maßstab für autonome Fahrzeuge auf den Straßen setzen werden.
Experten und Laien arbeiten effektiver zusammen durch 3D-Simulationen
Eigentlich hat das Fraunhofer-Insitut für Arbeitswirtschaft und Organisation – kurz Fraunhofer IAO – „nur“ ihre virtuellen Cityscapes demonstriert, bei denen man sich mit Hilfe von Joystick und 3D-Brille durch eine Stadt bewegen kann.
Expertenwissen sichtbar machen
Wofür die CityScapes stellvertretend stehen, ist aber noch viel spannender: Diese 3D-Umgebungen dienen als gemeinsamer Arbeitsraum für Experten und Laien. Zum Beispiel bei der Gestaltung von Gebäuden. Alle Daten der Architekten, Innenarchitekten und Bauingenieure – vom Grundriss bis zu Wasserrohren und Stromleitungen – werden in ein einziges 3D-Modell integriert. Und das ist nicht statisch, innerhalb des Modells können Simulationen gefahren werden, um beispielsweise zu sehen, wo genau die Klimaanlage warme oder kalte Luft hinbläst oder wie gut die Arbeitsplätze beleuchtet sind. Dabei kann man auch den „Röntgenblick“ einschalten und Wände durchsichtig machen, um zu sehen, ob es Probleme mit den geplanten Rohren und Kabeln gibt.
Das großartige an diesem Modell ist also, dass es die Leistung der Fachleute greifbar macht, so dass auch Laien (also der Großteil der Auftraggeber und späteren Nutzer des Gebäudes) sehen können, was geplant ist und Rückmeldungen geben können.
Die Hindernisse auf dem Kooperationsweg
Zwei Dinge fallen dabei besonders auf. Erstens sind die Nutzer nicht von der 3D-Technik geblendet, sondern diskutieren schon nach wenigen Minuten an fachlich; die bei traditionellen Gebäudeplänen vorhandene Hemmschwelle fällt weg. Zweitens ist es schwer Zulieferer zu finden, die a) alle ihre Planungsdaten in 3D liefern können und b) bereit sind, sich auf diese Art der Diskussion mit ihren Auftraggebern und den späteren Nutzern der Gebäude einzulassen. Dabei hätte das viele Vorteile, da man Planungsprobleme in der 3D-Ansicht besser erkennen kann und man alle Beteiligten von Anfang mit ins Boot holt.
Aber dieses virtuelle Rapid Prototyping von Gebäuden widerspricht wohl (noch) dem Selbstverständnis vieler Architekten, die sich eher als Künstler denn als Dienstleister sehen und die zum großen Teil noch in 2D arbeiten, manchmal sogar noch am Zeichentisch.
Experten- und Lernsysteme verschmelzen
Mittlerweile haben bestimmt schon alle von Google Glass oder von seinen Wettbewerbern gehört, die die digitale und die reale Welt miteinander verschmelzen lassen (Augmented Reality). Aber abgesehen davon, dass sie technisch spannend sind, könnten sie und ihre Verwandten auch den nächsten Schritt der Lerntechnologie darstellen. Das war zumindest eine Idee am Stand des CelTech (Centre for e-Learning Technology).
Die reale Welt als Klassenraum
Aber wie genau soll das aussehen? Wenn die Brille nur in der Lage ist, Dinge in der echten Welt zu erkennen und Informationen dazu zu liefern, dann ist das nett, eine Art interaktiver Reiseführer.
Wenn die Brille aber meinen PC nicht nur erkennt, sondern mir auch die Schritte einspielen kann, die ich gehen muss, um ihn zu reparieren, dann sind wir beim Expertensystem.
Und wenn das Expertensystem nicht einfach nur die nächsten Schritte zeigt, sondern mich fragt, welches der nächste Schritt ist und erkennt, ob ich mit dem Schraubenzieher an die richtige Stelle gehe (oder im Körper auf den richtigen Knochen zeige), dann wird aus dem Expertensystem ein Lernsystem.
100.000 Teilnehmer an einer Vorlesung – Video macht’s möglich
Etwas näher an der Gegenwart sind dagegen viele Videoanwendungen in der Bildung. In Schanghai werden beispielsweise viele Vorlesungen nicht mehr vor Studenten gehalten, sondern live gestreamt und anschließend als Aufzeichnung zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise erreichen einzelne Vorlesungen bis zu 100.000 Zuhörer.
Kultur treibt Technik
Aber noch mal zurück zum Menschen. Das Videovorlesungssystem in Schanghai funktioniert wunderbar, kann aber nicht einfach auch in Europa eingesetzt werden. Der Grund dafür sind aber weder Sprache, noch Technik oder Gesetze. Der Grund ist der, dass europäische Studenten einen Rückkanal zum Dozenten wollen, sie wollen sich beteiligen können – etwas, das in Schanghai traditionell weniger der Fall ist.
Begegnungen am Rande
Crowdfunding als Interessenbarometer
indiegogo ist zusammen mit dem Konkurrenten Kickstarter wohl die bekannteste Crowdfunding-Plattform. Wir hatten das Glück in der Speaker’s Lounge der Gründerin Danae Ringelmann zu begegnen. Und man merkt sofort, dass ihr diese neue Art Projekte zu finanzieren, die früher keine Chance gehabt hätte, sehr am Herzen liegt. Crowdfunding ist einfach eine gute Möglichkeit, bereits vor dem Projektstart festzustellen, wie groß das Interesse möglicher Kunden ist.
Komplexe Probleme lösen mit Design Thinking
Am Stand der School for Design Thinking des Hasso-Plattner-Instituts konnte man den Design-Thinking-Prozess selbst erfahren. Ziel ist es durch einen strukturierten, iterativen Prozess komplexe Probleme zu lösen.
Links
3D-Druck und Industrie 4.0
Makerbot: Webseite und Wikipedia
Autonome Landwirtschaftsfahrzeuge
Fraunofer IESE — Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering: Institut und Innovationscluster Digitale Nutzfahrzeugtechnolgie
3D-Räume für Experten und Laien
Fraunhofer IAO – Fraunhofer-Insitut für Arbeitswirtschaft und Organisation: Institut und Virtual CityScapes
Lernen
Google Glass: Webseite und Wikipedia
CelTech – Centre for e-Learning Technology
Begegnungen am Rande